Welcher Vermieter kennt die Situation nicht: Der Mieter zahlt keine Miete. Das Mietverhältnis wird gekündigt, ohne dass der Mieter die Wohnung herausgibt. Irgendwann, bevor der Vermieter Räumungsklage erhebt, ist der Mieter nicht mehr auffindbar. Die Schlüssel zur Wohnung wurden nicht zurückgegeben. Den Teil der Einrichtung seiner Wohnung, den er nicht mehr verwenden konnte, lässt er nebst seinem Wohlstandsmüll zurück.
Dann steht der Vermieter vor der Überlegung, Räumungsklage zu erheben oder nicht. Eine Klage ist eventuell mit zusätzlichem, nicht unerheblichem Aufwand verbunden, den die öffentliche Zustellung eben erfordert. Ohne Klage lockt der direkte Weg die Wohnung kurzerhand leer zu räumen, wertige Einrichtungsgegenstände einzulagern und den zurückgelassenen Müll und Unrat zu entsorgen.
Die Entscheidung für die Räumung ohne Gerichtsurteil ist unter wirtschaftlichen Überlegungen naheliegend.
Der Vermieter hat während des laufenden Räumungsprozesses neben den Kosten des Prozesses auch bereits den Mietausfall zu verkraften. Nach dem Prozess kommen auch noch die Kosten für die Räumung selbst hinzu, die nach der gegenwärtigen Praxis der Gerichtsvollzieher sehr schnell einige tausend Euro erreichen. Die Räumung nach dem Berliner Modell ist zwar kostengünstiger, belastet den Vermieter aber mit zusätzlichen Verpflichtungen, insbesondere pfändbaren und nicht pfändbaren Hausrat zu trennen und anschließend die Verwertung durch zu führen.
Jeder Vermieter, der sich zu dem Schritt entscheidet, die Räumung ohne Titel durch zu führen, sollte sich vergegenwärtigen, dass sein Verhalten von dem geltenden Miet(er)recht, das kein Vermiet(er)recht ist, nicht gedeckt wird. Er setzt sich vielmehr erheblichen Risiken aus.
Der Bundesgerichtshof hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem der Mieter, der über längere Zeit ortsabwesend war, nach der vom Vermieter vorgenommenen Räumung behauptete, Hausrat sei abhanden gekommen, beschädigt oder verschmutzt worden. Er bezog sich auf ein Sachverständigengutachten und begehrte 62.000 Euro Schadensersatz. Die Richter des vorbefassten Amts- und Landgerichtes waren nicht bereit, den Ansprüchen des Mieters statt zu geben.
Der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) urteilte gegen den Vermieter.
Die Vorgehensweise sei eine nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte, eigenmächtige Inbesitznahme. Das Ausräumen der Wohnung werteten die Bundesrichter als unerlaubte Selbsthilfe. Daher sei der Vermieter verschuldensunabhängig zum Schadensersatz gegenüber dem Mieter verpflichtet. Wenn der Vermieter die Wohnung ohne gerichtlichen Titel in Besitz nehme, so treffe ihn für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht. Schließlich sei der Mieter, der von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts wisse, deshalb auch nicht in der Lage, seine Rechte selbst wahr zu nehmen. Deshalb sei der Vermieter verpflichtet, ein Bestandsverzeichnis über die Gegenstände, die sich in der Wohnung befunden haben, aufzustellen und den Wert dieser Gegenstände zu ermitteln. Komme er dieser Pflicht nicht nach, so sei es Sache des Vermieters, die Behauptung des Mieters zu widerlegen, bestimmte Gegenstände seien bei der Räumung abhanden gekommen oder beschädigt worden.
Auch wenn der Vermieter der Auffassung sei, die Gegenstände hätten einen geringeren Wert als vom Mieter angegeben, so müsse er dies beweisen. Selbst wenn Zweifel an der Höhe des Schadens bestünden, so sei ein Gericht verpflichtet, zu prüfen, ob nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens zugunsten des Mieters in Betracht kommt.
Ob ein Mieter, der über längere Zeit verschwindet und einen Teil seines Hausrates zurücklässt, durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er seine Rechte an Wohnung und Hausrat aufgibt, ist ungeklärt. Die Auffassung, der Mieter wisse ja nichts von der Räumung der Wohnung, verkennt, dass ein Mieter, der über Wochen und Monate abtaucht, realistischer Weise erwarten muss, dass der Vermieter die Wohnung irgendwann in Besitz nehmen wird. Das ist spätestens der Fall, wenn dies zur Gefahrenabwehr geboten ist.
Die Räumung einer Wohnung ohne Titel ist äußerst riskant.
Hiervon ist in jedem Falle abzuraten. Wer sich doch zu diesem Schritt entscheidet, sollte den Zustand und Inhalt der Wohnung dokumentieren, beispielsweise durch aussagekräftige Fotos oder ein Video. Der gesamte Hausrat sollte minutiös unter Beiziehung von Zeugen erfasst und aufgelistet, der Wert der einzelnen Hausratsgegenstände ermittelt werden.